Alt und neu verträgt sich gut!
- Die Schönfärberin
- 4. März 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Mai 2021
Wenn Wasch- und Geschirrspülmaschine leise vor sich hinschnurrend ihr Werk verrichten, der Kaffee heiß und schwarz auf Knopfdruck aus dem Vollautomaten fließt, wenn die Heizung zuverlässig eine wohlig warme Wohnung garantiert und eine heiße Dusche den Tag angenehm beginnen läßt, dann bin ich mal wieder ausgesprochen froh, in der heutigen Zeit leben zu dürfen.
Auch wenn man bei der Lektüre dieses Blogs unschwer erkennen kann, dass ich ein Faible für Dinge mit Vergangenheit habe, glaube ich nicht an die "gute alte Zeit", aus der sie vielleicht stammen. Vielleicht mag das eine oder andere früher besser gewesen sein. Sehr vieles ist es aber auch heute, um nur die emanzipatorischen Errungenschaften für Frauen und eben auch die technischen Entwicklungen zu nennen.

Meine Großmutter erzählte uns als Kindern sehr anschaulich, wie es im Hause zuging, als sie eine junge Frau mit großer Familie war. Wir liebten diese Geschichten und lauschten fasziniert den Schilderungen von kräftezehrenden Waschtagen, dem mühsamen Anheizen des Ofens in aller Herrgottsfrüh und von Eisblumen, die die Innenwänden der Schlafzimmer des kleinen Hauses glitzern ließen. Wir stellten uns lebhaft die samstäglichen Badetage in der Küche vor, für die das Wasser erst mühsam auf dem Herd erhitzt und dann in eine Zinkwanne gefüllt werden musste. So spannend wir das alles fanden, Sehnsucht danach hatte sicher niemand.
Was die technischen Entwicklungen der etwas jüngeren Vergangenheit betrifft, ist mir heute schleierhaft, wie ich bei meiner grottenschlechten Orientierung jemals ohne die Hilfe eines Navigationsgerätes irgendwo ans Ziel gekommen bin. Und der Laptop, auf dem ich gerade schreibe, ist mir schon deshalb deutlich lieber als eine Schreibmaschine, weil er völlig ohne Tipp-Ex auskommt.
Auch wenn viele der technischen Errungenschaften, und dabei insbesondere Social Media, auch ihre wirklich sehr hässlichen Seiten besitzen, die meisten haben uns das Leben sehr erleichtert.

Ich nutze deshalb viele Segnungen der heutigen Zeit dankbar und gerne, man kann aber auch etliche Dinge in meinem Haushalt finden, die schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben.
Dazu gehören die diversen Kellen und Löffel, die griffbereit an einem Schöpflöffelhalter hängen und der große weiße Emaille-Durchschlag. Sie verrichten trotz ihres Alters und vieler Gebrauchsspuren genauso gut ihren Dienst, wie ihre jüngeren Verwandten aus Plastik und vertragen auch Geschirrspülgänge ganz hervorragend. Das alte Mehlfass ohne Deckel hält die Spültücher parat. Zwei junge Mädchen haben mir das ramponierte Gefäß einst verkauft. Sie verlangten einen geringen Preis und blickten mich dabei ein bisschen mitleidig an, vermutlich, weil sie beim besten Willen nicht vorstellen konnten, was ich mit dem ollen Ding wollte.


Das gleiche gilt für alte Messbecher, Schüsseln, Körbe und alle Formen von Kannen. Sie dürfen den Charme der Vergangenheit gerne verbreiten und bei mir noch ein bisschen weiterarbeiten, wenn sie nicht darauf bestehen, mit der Hand gespült zu werden.

Und der Kühlschrank ist von außen schön retro, sein Innenleben ist jedoch auf dem neuesten technischen Stand. Er verbraucht deshalb wenig Strom und hält unsere Lebensmittel lange frisch.

Sein Bad nehmen muss in einer Zinkwanne in unseren Breiten vermutlich niemand mehr, aber die schönen Bauernhortensien machen in einer kleinen Version davon eine gute Figur.

Ab und zu ist aber auch die ältere, analoge Technik ausgesprochen sympathisch und nervenschonend. Die schöne Personenwaage aus den 60er Jahren, die mir meine Freundin Sabine nach einer Haushaltsauflösung schenkte und die sich in einem für diese Zeit so typischen schönen Pastellrosa präsentiert, tut genau was sie soll: Sie zeigt mir mein Gewicht - und sonst nichts!
Sie tut es immer noch genau, aber nicht auf das letzte Zehntelgramm, das sich sowieso mit jedem Bissen und jedem Schluck, den ich zu mir nehmen, ändert. Dieses und vieles mehr vermag jedoch die hochtechnische elektronische Waage, die vom Rest der Familie bevorzugt wird, und einem die manchmal unschönen Wahrheiten auf Wunsch sogar aufs Handy funkt.
Das schöne und gnädige Relikt aus der Nierentischzeit verrät mir hingegen rein gar nichts über meinen Körperfettanteil, wofür ich ihr ausgesprochen dankbar bin, und im Gegensatz zur unbestechlichen digitalen Version auch nicht, dass ich vor genau einem Jahr - Lockdown sei Dank - noch exakt 2,75 Kilo weniger wog. Meine kneifende Jeans lässt es mich sowieso nicht vergessen.

Die alten Kopfkissenbezüge mit Monogramm, die nun seit rund 100 Jahren von einer Generation zur anderen weitergereicht wurden, wandern im Gegensatz zu ihrer Entstehungszeit bei Bedarf nicht in den Waschzuber sondern schnurstracks in die Maschine, die sie dann blütenweiß wieder verlassen. Sie einfach zu benutzen und einen gewissen Verschleiß zu riskieren, finde ich sinnvoller, als die Bezüge weiter bis zum Sanktnimmerleinstag im Schrank aufzubewahren. Sie dürfen sich deshalb auch heutzutage noch gerne zu mehreren dekorativ auf dem Bett stapeln und beim Netflix-Serienmarathon komfortabel den Rücken stützen. Ich bin sicher, die gute alte Käthe, die die Kissen einst für ihre Aussteuer erhielt, wäre damit einverstanden.

Vergangenheit und Gegenwart, alt und neu schließen sich nicht aus, sie vertragen sich ganz im Gegenteil wirklich wunderbar, wenn man es zulässt und außerdem ist es ja eh so, wie der Münchner Komiker Karl Valentin einst so weise sagte: "Heute ist die gute alte Zeit von morgen!"
Liebe Schönfärberin, es war mir wieder ein Vergnügen in deine Welt einzutauchen. So wie du ein Händchen dafür hast, aus alten Dingen ware Schätze zu machen, so gelingt dir das auch mit deinem Blog. Bis Bald und ganz liebe Grüße Karin