Aus Neu mach Alt
- Die Schönfärberin
- 30. Apr. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Jan. 2022
Normalerweise funktioniert meine Schönfärberei bekanntlich anders herum und ich mache aus alten Dingen etwas Neues. Im Prinzip ist es dieses Mal auch so, aber heute geht es darum, neues Holz so zu behandeln, dass es aussieht, als hätte es schon ein paar Jährchen auf dem Buckel.
In eine Wohnküche gehört ein Esstisch, unserer begleitet uns schon seit sehr vielen Jahren. Ich glaube, er gehört zu den am meisten genutzten Möbelstücken in unserer Wohnung. An ihm wird aber nicht nur gegessen, sondern auch gearbeitet, gebastelt, gespielt, gelesen und gekocht. Jede Menge Hausaufgaben wurden hier erledigt und Kaffeepläuschchen abgehalten.
Einmal durfte unser Tisch sogar Statist in einem tollen Wohnbuch sein, über deren Autorin ich bereits hier sehr ausführlich berichtet habe.

Er war ursprünglich mal schneeweiß lackiert, aber im Laufe der Zeit nicht nur an Ecken und Kanten total absplittert, auch die Oberfläche sah ziemlich ramponiert aus. Nun mag ich zwar durchaus den Charme von viel benutzten Möbelstücken, die ihre Gebrauchsspuren gerne auch zeigen dürfen, aber eines Tages sah das gute Stück einfach nur noch schmutzig aus
So überlegte ich, was man tun könnte, um das altgediente Möbel zu retten. Neu streichen war eine Option, aber nach vielen Jahren mit einem weißen Tisch, hatte ich Lust auf Veränderung und eine schöne alte Holzplatte, die etwas wärmer wirkt. Eine in der Art, wie auf diesem Bild aus einer Wohnzeitschrift, dessen Atmosphäre mich sofort ansprach.

Foto: Mein schönes Landhaus Nr. 1/2019
Also musste eine neue Platte her. Das Untergestell sollte bleiben, denn es ist sehr stabil und noch tiptop in Ordnung.
Meine Recherchen im Internet und in Baumärkten brachten mich jedoch nicht weiter. Entweder passte das Maß nicht, wie z.B. bei alten Türblättern, die Holzfarbe gefiel mir nicht, oder es wären größere handwerkliche Arbeiten mit einzelnen Altholzbrettern notwendig gewesen.
So entschloss mich, doch zunächst einmal die alte Platte abzuschleifen, gespannt, was unter der ziemlich dicken Lackschicht zum Vorschein kommen würde.

Eine mühsame und sehr staubige Angelegenheit, aber die positive Überraschung war, dass sich die Tischplatte als ein ansehnliches massives Exemplar entpuppte, viel zu schade zum Entsorgen. Nur leider sah sie nun auch nigelnagelneu aus, ungefähr so neu, wie die zwei Bretter oben auf dem Bild.
Eine weitere Behandlung war notwendig, aber wie? Bei Google gab ich versuchsweise mal "Holz altern lassen" ein, und siehe da, ich stieß tatsächlich auf eine Methode, die dieses versprach.

Es beginnt damit, dass man feine Stahlwolle in ein Schraubglas gibt und mit Essigessenz übergießt. Diese Mischung muss nun 24 bis 48 Stunden stehen bleiben. Je länger sie steht, desto stärker färbt sie später. Sie verändert dabei ihre Farbe und riecht auch etwas streng, denn es entstehen Eisenacetat und Wasserstoff.
Im Fach Chemie war ich immer eine Niete und habe deshalb nicht die geringste Ahnung, was da passiert. Es ist aber wichtig, das Glas nie ganz bis oben zu füllen.

Wenn sie lange genug gestanden hat, muss die Flüssigkeit abgegossen werden, die Stahlwolle kann entsorgt werden. Beim Umfüllen in ein anderes Glas ist es ratsam, das Eisenacetat durch ein Papier-Küchentuch, einen alten Strumpf oder einen Kaffeefilter zu gießen, sonst kann es sein, dass kleine Stahlteilchen darin verbleiben.
Am besten sammelt man zuerst ein paar Erfahrungen mit dieser Technik an einfachen Fichtenholz- Brettern, die man in 60 x 20 cm für etwa zwei Euro pro Stück im Baumarkt bekommt oder vielleicht sogar als Reste im Keller hat. Wenn es einem größeren Objekt an den Kragen gehen soll, unbedingt einen Probeanstrich an einer Stelle machen, die später nicht sichtbar ist, denn jede Holzsorte reagiert anders auf das Eisenacetat.

Meine Tischplatte habe ich zunächst kräftig mit einer Stahlbürste bearbeitet, dabei muss man unbedingt immer in die Faserrichtung des Holzes bürsten. Das geht ziemlich gut bei Weichholz. Es bekommt dadurch eine Struktur, wie sie auch älteres, verwittertes Holz aufweist. Wenn man einen stärkeren Effekt möchte oder Muskelkraft sparen will, dann kann man auch mit solchen Stahl- oder Kunststoffbürstenaufsätzen auf einer Bohrmaschine arbeiten.

Dann wird die Flüssigkeit mit einem sauberen, breiten Pinsel aufgetragen. Entscheidend ist, dass jede Stelle nur EINMAL damit überstrichen wird, sonst entstehen Flecken oder unterschiedliche Farben. Der Effekt ist nicht sofort sichtbar! Er benötigt Sauerstoff, weshalb man einige Stunden warten muss, bis man die endgültige Holzfarbe erkennen kann. Das benötigt Geduld, aber man kann beobachten, dass das Holz kontinuierlich dunkler wird.

Direkt nach dem Eisenacetat ein wenig weiße Farbe - Acryllack, matt und unbedingt wasserlöslich! - auftragen und dabei gut in die entstandenen Rillen steichen. Dann SOFORT wieder mit einem feuchten Stofftuch abwischen, so dass nur eine ganz dünne Schicht Farbe bleibt. Diese darf ruhig unregelmäßig sein.

Man kann auch in die entstandenen Rillen noch ein bisschen zusätzliche Farbe hineinspachteln, wen man es noch ein bisschen mehr shabby mag. Man sieht auf dem Foto auch, dass sich das Holz nach ein paar Minuten bereits zu verfärben beginnt. Nun heißt es aber erstmal warten, bis der Färbeprozess abgeschlossen ist.

Nach ein paar Stunden sieht es etwa so aus. Ich habe nur ein Stück des Brettes bearbeitet, damit man den deutlichen Unterschied zum unbehandelten Holz sehen kann. Wenn man es noch dunkler möchte, dann kann man nun eine zweite Schicht vom Eisenacetat auftragen.
Zum Schluss muss das Holz noch mit einem feineren Schleifpapier geglättet werden. Wenn man mit den Fingern darüberstreicht und es sich nicht mehr rau anfühlt, ist es richtig. Ich habe dann in mein Brett mit einem Nagel und noch ein paar "Holzwurmlöcher" hinein geklopft.

Wenn man sich die Bretter, zum Ausprobieren der "Holzalterung", im Baumarkt gleich in zwei oder drei Stücke schneiden lässt, kann man diese später noch verwenden. Zum Beispiel mit ein paar Maulklemmen wie diesen hier als Mini-Memoboard oder zum Servieren von Kuchen, Käse, etc.
Bei meinem Baumarktbesuch war leider die Warteschlange beim Holz-Zuschnitt zuletzt so unendlich lang, dass man mich dort vermutlich irgendwann verhungert, verdurstet und meine zwei Bretter verzweifelt umklammernd gefunden hätte. Ganz München scheint in im Moment zu werkeln.
Also entschied ich mich, die Technik einfach an den kompletten Brettern zu zeigen. Die Ideen hier zur Weiterverwendung werden deshalb hier auch nur angedeutet und der Rest der Phantasie überlassen.

Eine Tischplatte ist immer einer großen Beanspruchung ausgesetzt und es gibt bei uns kaum einen Tag, an dem bei uns nicht dort Kaffee, Johannisbeersaft, ein Klecks Tomatensauce oder ein paar Spritzer Salatdressing landen. Deshalb war es unerlässlich, dass das Holz gut versiegelt wird.

Der "Unbehandelt-Effekt" sollte erhalten bleiben und nicht durch einen seidenmatten oder gar glänzenden Anstrich verloren geht. Nach einigem Suchen fand ich eine farblose Holzversiegelung, die sich "tuchmatt" nennt. Drei dünne Anstriche später, die ich jeweils mit einer Schaumstoffrolle aufgebrachte, war die Tischplatte tatsächlich quasi unsichtbar versiegelt und auch farbintensive Flüssigkeiten können ihr nichts mehr anhaben.
Zum Abschluss bin ich aber noch das Endergebnis meiner Tischplatten-Schönfärberei schuldig, dieses sieht man auf dem Bild unten. Man erkennt tatsächlich nicht mehr, dass die Platte vorher wie frisch aus dem Baumstamm gesägt aussah.

Auch wenn diese Version natürlich nicht hundertprozentig mit einer natürlich gealterte Holzplatte mithalten kann, darf es fürs Erste so bleiben. Gekostet hat das ganze Makeover nur rund 20 Euro und ein bisschen Muskelkraft. Die Reste der Materialien reichen außerdem noch für etliche andere Projekte.
Es gibt noch eine weitere Methode, mit der man eine noch dunklere, auch sehr schöne Variante von künstlich gealtertem Holz entstehen lassen kann. Dazu benötigt man unter anderem starken Kaffee. Deshalb gibt´s nächste Woche an dieser Stelle auch noch einen Teil 2 von "Aus Neu macht Alt"! Da wird aus einem Kästchen aus dem Billigkaufkaufhaus eine Kiste, die aussieht, wie vom Opa geerbt.
Meine Tipps und Informationen sind grundsätzlich keine Werbung im rechtlichen Sinne, da ich dazu weder aufgefordert wurde, noch eine Bezahlung oder sonstige Gegenleistung dafür erhalte.
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