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Budenzauber

  • Autorenbild: Die Schönfärberin
    Die Schönfärberin
  • 22. Apr. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Mai 2021

Wer erinnert sich nicht an den kunterbunten kleinen Bonbon-Laden, in dem Pippi Langstrumpf 18 Pfund Süßigkeiten kauft, um sie anschließend an die Schar Kinder zu verteilen, die sich die Nase an der Scheibe des kleinen Geschäftes plattdrückt.


Als Kind war ich fasziniert von den Regalen voller Gläser mit Lakritzschnecken, Zuckerstangen, Himbeerdrops und Gummischlangen und vielen anderen süßen und bunten Leckereien, die in dieser Szene der Verfilmung der beliebten Kinderbücher zu sehen sind.


Eigentlich mag ich Süßigkeiten gar nicht besonders, schon gar keine Bonbons. Der Anblick von Gläsern voller buntem Zuckerwerk macht mir aber trotzdem immer noch gute Laune.



Mein Vater kam aus dem Ruhrgebiet wo es eine ausgeprägte Trinkhallen-Kultur gibt. Was bei uns in Bayern schlicht Kiosk oder Standl heißt, ist dort ein Büdchen. So wie Italiener*innen morgens auf dem Weg zur Arbeit schnell einen Espresso oder Cappuccino an der Bar zu sich nehmen oder auf dem Heimweg einen Campari-Soda, so ist im Pott die Bude ein unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Lebens. Man kauft dort nicht nur Trinkbares, Snacks und Zeitschriften, sondern hält auch gerne ein kleines Pläuschchen.



Nun wohnten wir damals in Kassel, einer mittelgroßen Stadt in Nordhessen, aber einen Kiosk gab es doch in unserer Nähe. Mein Vater rauchte gerne und vor allem viel und so ging es manchmal am Abend oder Wochenende "anne Bude" um ein paar Päckchen Marlboro-Zigaretten zu kaufen. Wir Kinder fuhren gerne mit, denn man konnte immer mindestens ein Himbi-Spezial-Eis oder ein Cornetto Nuss abstauben, wenn man ein kleines bisschen bettelte. Wenn es richtig gut lief, sprang auch noch das neueste Micki Maus-Heft dabei heraus.


An besagter Bude führte auch unser Schulweg vorbei und so beäugten wir jeden Tag die vielen Gläser, die sich rechts und links des Verkaufsfensters dicht an dicht aneinanderreihten. Sie enthielten alles, was das Kinderherz begehrte. "Nappo" in silberfarbenem Stanniolpapier, eine ziemlich zähe weiße Masse in Rautenform, zusätzlich mit Schokolade bezogen, Tütchen mit Brause in Waldmeister- oder Orangengeschmack, Gummiteufelchen und Colafläschchen, winzige Kirschlutscher, Bonbonketten, kleine Babyfläschchen mit Liebesperlen und unglaublich klebrige Leckmuscheln.



Ein Teil des Taschengeldes wanderte natürlich dorthin. Der Kioskbesitzer brauchte Nerven aus Stahl, denn bis wir uns endlich entschieden hatten, was von den Pfennigartikeln in die kleine spitze Papiertüte wandern sollte, konnte schon einige Zeit vergehen. Wenn man es gut anstellte, dann wurde sie nämlich für die eine Mark, die wir meist investierten, richtig voll.


Entsprechend erging es auch meiner Freundin Caroline, die vor ein paar Jahren einen wunderschönen kleinen Spielzeugladen ihr eigen nannte. Das Geschäft gibt es nicht mehr, aber das sehenswerte Ladenschild ist glücklicherweise erhalten geblieben.


Sie hat wohl sehr ähnliche Kindheitserinnerungen wie ich, denn es gab in ihrem Geschäft ein herrliches Regal mit großen Gläsern, gefüllt mit Brausestangen, Gummifledermäusen, Lutschern, Kaugummi und anderen bereits erwähnten Süßigkeiten. Und tatsächlich konnte man alles, genau wie früher an der Bude, jeweils für ein paar Cent einzeln erwerben.



Gegenüber des Ladens befand sich ein großer Spielplatz, was Fluch und Segen gleichermaßen war. Ein erklecklicher Teil ihrer Zeit ging nämlich mit dem Befüllen der kleinen Tütchen drauf, ohne dass dies einen nennenswerten Umsatz generiert hätte. Meine Freundin erledigte dies trotzdem mit einer geradezu engelsgleichen Geduld für jedes einzelne der zahlreichen Kinder, die mit 50 Cent oder einem Euro in ihren klebrigen, sandigen Fingern ihre Bestellung vorbrachten.



Als ich vor einiger Zeit bei einem Discounter eine "Nostalgie-Tüte" entdeckte, in der sich genau die

Süßigkeiten aus der Bude meiner Kindheit befanden, musste ich kurz einen kleinen Juchzer unterdrücken. Voller Freude kaufte gleich drei davon und füllte zuhause ein altes Bonbonglas damit. Ich habe im Laufe der Jahre etliche dieser großen Gläser für alle möglichen Zwecke am Flohmarkt gekauft und bestückte deshalb - wenn schon, denn schon - gleich auch noch eines davon mit hübschen Bonbons und eines mit süßem "Speck".




Gegessen wird davon bei uns tatsächlich nur selten etwas und wenn, nur in winzigen Mengen, aber es macht einfach Spaß, ein oder mehrere solcher Gläser voll Süßigkeiten zu haben. Mit ein paar Jahrzehnten Verspätung hat man dann nämlich das "Bonbonladen-Gefühl", aus der Zeit, als man noch Pippi Langstrumpf-Filme guckte. Und manchmal tut ein bisschen Kindsein einfach auch einer Erwachsenenseele gut.



Und dass es nicht nur mir so geht, merke ich daran, dass der Anblick der nostalgischen bunten Naschereien so ziemlich jedem Gast, egal welchen Alters, umgehend ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der oder die eine oder andere greift dann auch gerne zu und wer mag, kriegt von mir sogar eine kleine spitze Tüte gefüllt.


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