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Bullerbü-Syndrom und Safranbrötchen

  • Autorenbild: Die Schönfärberin
    Die Schönfärberin
  • 8. März 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Apr. 2021

Was das miteinander zu tun hat? Nun, neulich stieß ich im Internet auf einen Artikel, der mit "Das Bullerbü-Syndrom" betitelt war. Ich hoffte, dass sich dieses in der Küche abspielen würde und auf leckere schwedische Rezepte.


Doch weit gefehlt. In Wirklichkeit ging es hier um den, von einem Soziologen geprägten Begriff, der in Schweden angeblich sehr gängig ist. Das Bullerbü-Syndrom, beschreibt nämlich die idealisierte, klischeehafte Vorstellung, die die Deutschen von Schweden haben: Hübsche rote Holzhäuser, unberührte Natur, dazu nur freundliche, semmelblonde Menschen. Und ja, wir Deutschen sind damit explizit gemeint. Die Geschichten aus Bullerbü, die Welt, die von Astrid Lindgren in vielen ihrer Bücher beschrieben wurde, präge dabei dieses Traumbild und somit den Begriff.



So so, da lassen findige Marketingstrategen uns gefühlsduselige Deutsche zwar im schwedischen Möbelhaus die Köttbullar zwischen romantischen Impressionen aus Småland verdrücken aber hintenrum finden sie uns komisch und realitätsfern. Ich war ein bisschen beleidigt.


Tatsächlich fühlte ich mich aber auch ertappt. Natürlich weiß ich ganz genau, dass Schweden zumindest in weiten Teilen völlig anders aussieht, dass auch dort Menschen in Trabantenstädten leben und es trotz des relativ guten Sozialsystems viele gesellschaftliche Probleme und auch nicht nur freundliche Einwohner gibt. Dennoch gilt meine erste Assoziation mit diesem Land tatsächlich eher der Gemütlichkeit der hübschen ochsenblutfarbenen Häuser, fröhlichen Midsommerfesten und der freundlichen Ruhe, die von den Astrid Lindgren Büchern und Filmen ausgeht, die ich allesamt las, sah und sehr liebte.



Schon der Wohnstil hat mich nachhaltig beeinflusst. Helle Farben, Möbel aus Holz und schwedische Tapeten mag ich bis heute und es gibt bei uns auch kein richtiges Weihnachtsgefühl ohne ein paar Folgen "Michel aus Lönneberga" .


Eine meiner Lieblingsgeschichten ist dabei das "Ratzekahl-Fest", bei dem die ausgehungerten Alten aus dem Armenhaus das komplette Essen, das eigentlich für die am nächsten Tag erwarteten Verwandten bestimmt war, bis auf den allerletzten Krümel verputzen. Dass hier auch die ganz schlimmen Seiten der damaligen Zeit gezeigt werden, fällt einem wohl erst als Erwachsenem so richtig auf.


Aber mal ehrlich, geht es anderen Ländern denn nicht ganz genauso?


Wird nicht oft ganz Deutschland mit urigen bayerischen Dörfern und Maßkrüge schwenkenden Menschen in schöner Tracht assoziiert und nicht mit sozialen Brennpunkten in Großstädten?


Denken wir bei Frankreich im ersten Moment nicht auch eher an Baguette, Käse, Bistros und den Eifelturm oder die strahlenden Farben der Côte d’Azur als an öde Vorstädte und gewalttätige Proteste der Gelbwesten?


Und Italien! Verbinden wir dieses Land nicht emotional zunächst mit morgendlichem Espresso an der Bar, den sanften Hügeln der Toskana oder gestikulierenden Großfamilien, die an langen Tischen vor Spaghetti und Rotwein sitzen? Das Wissen, dass es in dem zum Teil auch armen Land Korruption, hohe Arbeitslosigkeit und eine chaotische Regierung gibt, ändert daran nichts.


Schweden auf dem Frühstücksteller


Nein, ich war fest entschlossen, intellektuelle Bedenken zu ignorieren und dieses wohlig-tröstende Kindheitsgefühl auf keinen Fall aufzugeben. Ich hielt mich da lieber an eine andere Wissenschaft, die Hirnforschung, die herausgefunden hat, dass solche positiven Gefühlserinnerungen von größtem Wert sind, um unsere Psyche gesund zu halten. Eine Art Schönfärberei für Herz und Seele sozusagen.


Um diesen Entschluß zu besiegeln, beschloss ich, gleich am nächsten Wochenende eine bei uns sehr beliebte schwedische Spezialität fürs Frühstück zu machen. Safranbrötchen!



Den vom Safran wunderbar gelben Hefeteig stellt meist meine Tochter am Vorabend oder in der Nacht her, er ruht dann nach dem ersten Gehen im Kühlschrank, um am nächsten Morgen von mir, der einzigen Frühaufsteherin in der Familie, in der Wärme der Küche wiederbelebt zu werden.



Die Form der Brötchen entsteht nach Lust und Laune. Dieses Mal sollten es Schnecken werden, das macht sie noch ein bisschen schwedischer :). Da sich bei Rosinen bei uns die Geister scheiden, kommen sie nie in den Teig, sondern es werden nur einzelne Exemplare vor dem Backen damit bestückt



Sobald die goldfarbenen Stücke im Ofen backen, verströmen sie einen unwiderstehlichen Duft, der den einen oder anderen Langschläfer in die Küche lockt. Am besten schmecken sie nämlich noch etwas warm, frisch vom Blech, mit Butter und einem Klecks Marmelade. Ich friere deshalb immer ein Teil des fertigen Gebäcks ein, sobald es abgekühlt sind, da sich die Brötchen sehr gut aufbacken lassen.



Und was soll ich sagen, Syndrom hin, Syndrom her, das wohlige Bullerbü-Gefühl stellt sich einfach umgehend ein, wenn man, den Mund voll Safranbrötchen, glücklich kauend und mit einer großen Tasse heißem Milchkaffee vor der Nase am Küchentisch sitzt, während draußen die Schneeflocken vor dem Fenster tanzen - mögen die Soziologen es noch so albern oder verwerflich finden. Sie dürfen mir in diesem Moment getrost den Buckel runterrutschen.


Hier nun noch das Rezept für schwedische Wohlfühlmomente


Es stammt aus einem Kinderbuch namens "Weihnachtsbriefe von Felix" von Annette Langen. Ein kleiner Stoffhase reist in diesem durch die Welt und schreibt von seinen einzelnen Stationen Briefe an die daheimgebliebene kleine Sophie. Diese Briefe stecken in richtigen Umschlägen, was das Besondere an diesem Buch ausmacht und meinen Kindern einst sehr viel Spaß bereitete. Der Brief aus Stockholm enthält zusätzlich das Rezept für die Safranbrötchen, das wir damals selbstverständlich auf der Stelle nachbacken mussten. Sie sind so lecker, dass wir sie seitdem immer wieder machen. Im Originalrezept sind nur 200 gr Zucker angegeben, wir mögen es sie aber ein bisschen süßer.


Smaklig måltid!




4 Comments


Regula Kienholz
Regula Kienholz
Mar 14, 2021

Ach wie wahr. Weihnachten ohne Michel geht gar nicht, egal wie alt man ist. Und eigentlich wäre es ganz schön, wenn die ganze Menschheit am Bullerbü-Syndrom leiden würde....🙂

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Karin Mayer
Karin Mayer
Mar 09, 2021

hach, wieder so ein schöner Beitrag. Da hab ich gern das Bullerbü Syndrom, wenn man sich dabei so wohlig fühlt und den Geruch von Safran Brötchen in der Nase hat.

Die Michel Folge ist auch eine meiner liebsten und ja, Weihnachten ist erst, wenn Michel und Pippi da waren

😍

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Die Schönfärberin
Die Schönfärberin
Mar 09, 2021
Replying to

Das nächste Mal backe ich welche für euch mit, dann machst du den Test! 😉

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Unknown member
Mar 09, 2021

Die Briefe von Felix haben wir auch gerne gelesen. Michel saß allerdings immer bei uns auf der Couch und hört auf den Namen Sebastian!

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