top of page
  • Facebook
  • Instagram

Flohmarktgeschichten

  • Autorenbild: Die Schönfärberin
    Die Schönfärberin
  • 21. Feb. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Sept. 2021

Manche bewundernswerten Zeitgenossen joggen täglich mehrere Kilometer, andere schwören auf Yoga, Lesen oder Aquarellmalerei auf der Suche nach Entspannung und Erholung von den vielfältigen Herausforderungen, die wir jeden Tag bewältigen müssen.


Mich findet man genau zu diesem Zweck jeden Samstag, wenn es nicht wie aus Eimern schüttet oder einem gerade eine Jahrhundert-Pandemie einen Strich durch die Rechnung macht, in aller Herrgottsfrüh auf dem Flohmarkt.


Dort bekomme ich den Kopf frei von meinem eigentlichen Job, der viel mit Zahlen, Planung und Verantwortung zu tun hat und für einen Moment auch von den großen und kleinen Problemen, die einem das Leben so serviert. Es ist eine Art "Reset auf Werkseinstellung", damit in der kommenden Woche die Synapsen wieder einwandfrei funken.


An den einzelnen Ständen vorbeizuschlendern, alleine oder mit netter Begleitung, den Blick dabei über die Tische und Kisten schweifen zu lassen, hat etwas zutiefst Entspannendes. Ein anschließender starker Kaffee und eine frische Butterbreze in der Bäckerei an der Ecke und ein kleiner Ratsch mit der netten Begleitung machen den Morgen perfekt.



Einer meiner Münchner Lieblingsflohmärkte ist der an der Parkharfe des Olympiageländes, das für mich praktischerweise in wenigen Minuten zu erreichen ist. Er ist im Winter klein, so dass man nach höchstens einer halben Stunde alles gesehen hat, im Sommer dafür oft so riesig, dass ich nach zwei Stunden mit lahmen Füßen erschöpft aufgebe, ohne alle Gänge durchlaufen zu haben.


Die Größe des Flohmarktes sagt dabei komischerweise nichts darüber aus, ob man mit reicher Beute in den Taschen oder ohne einen einzigen Fund nachhause kommt. Flohmarktglück hat man halt manchmal und manchmal eben auch nicht. Es lässt sich kein bisschen durch statistische Wahrscheinlichkeiten beeindrucken.



Mittlerweile kenne ich viele der Trödler gut. Da gibt es die immer perfekt geschminkte Dame in den späten mittleren Jahren, mit ihren schönen langen grauen Haaren. Sie verkauft nur etwas hochwertigere Kleidung, grüßt immer freundlich lächelnd und man wird trotzdem das Gefühl nicht los, dass sie nicht nur aus Spaß an der Freud dort steht.


Ein paar Stände weiter findet man meist den für seinen Job eigentlich viel zu schüchternen Pakistani,der aber gerade dadurch wohl ein gutes Geschäft macht, weil er so mittleiderregend wirkt. Ich mag auch den krummbeinigen, ewig herumwuselnden Händler für alte Elektronik, der sich zwar den ganzen Tag laut schimpfend über irgendetwas beschwert, aber schlagartig sehr charmant ist, wenn man etwas bei ihm kauft und dann immer ein bisschen flirtet.



Zwei schon ziemlich betagte und ebenso resolute Ladys verkaufen nur an manchen Samstagen ihre Waren, diese stammen aus Zimmerauflösungen im Altersheim, was dem Ganzen ein bisschen was Trauriges gibt. Ihre Einnahmen gehen zugunsten des Tierheims, weshalb man den von ihnen aufgerufenen Preis schon aus Respekt vor so viel Engagement stets ohne weitere Verhandlungen klaglos zahlt.



Mein Lieblingshändler ist jedoch "der Berliner". Obwohl ich irgendwann erfuhr, wie er tatsächlich heißt, ist es für mich bei diesem einmal verliehenen Spitznamen geblieben. "Hier allet een Euro" hört man ihn nämlich im unverkennbaren Jargon rufen.


Nein, eigentlich ruft er gar nicht, jedenfalls nicht so wie der Haushaltsauflöser mit dem exorbitanten Körperumfang und der verhuschten Frau. Dieser erschreckt einen nämlich mit seinem ohrenbetäubenden "Heute billiger!!" fast zu Tode, wenn man unvorsichtigerweise gerade ein bisschen zu nah bei ihm steht. Der Berliner hingegen scheint jeden potentiellen Kunden, der seine Kisten umrundet, persönlich über seine Preise zu informieren und er erhebt seine Stimme dabei kaum.


Wenn man sich ihm schließlich mit einem Fundstück aus den zahlreichen Pappkartons nähert, um dieses zu bezahlen, wird man stets mit einem freundlichen "Na Engelchen, haste wat jefunden?" begrüßt, er enttäuscht einen wirklich nie.


Was man jedoch lieber nicht versuchen sollte, ist den ohnehin geringen Preis zu verhandeln, oder gar Mengenrabatt rauszuschlagen, man erntet sonst einen missbilligenden Blick und ein "Fragste det den Metzja ooch, wenn de Salami koofst?" Eine Frage der Ehre für ihn.



Wenn man etwas Zeit mitbringt, bekommt man aber noch eine Geschichte aus seinem Leben gratis dazu und erfährt so, dass er viele Jahre seines Lebens mit Reisen durch die ganze Welt verbracht hat, was zwar Herz und Kopf des Globetrotters mit vielen wunderbaren Erinnerungen füllte, aber leider nicht sein Rentenkonto. Damit er trotzdem über die Runden kommt, verdient er sich als Flohmarkthändler ein Zubrot.


Wie er dort in seinem Campingstuhl sitzt, - im Winter im schneeweißen, knöchellangen Daunenmantel und russisch anmutender Fellmütze, im Sommer mit einem flotten schwarzen Hütchen auf dem Kopf - macht er den Eindruck eines Lebenskünstlers, der stets das Beste aus allem macht.


Dass es wohl tatsächlich so ist, erfuhr ich, als ich ihn nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 im Sommer nach vielen flohmarktlosen Wochen wiedertraf und meiner Sorge Ausdruck verlieh, was er denn die ganze Zeit wohl gemacht habe. "Allet jut" meinte er und erzählte mir strahlend, dass er die Zeit genutzt habe um mit einem Freund nach Südfrankreich zu fahren. Dort nach einigen interessanten Zwischenetappen angekommen, hätten sie sich ein angenehmes Leben gemacht. "Det war wirklich schön!"


Und an solchen Tagen kommt man dann außer mit hübschen alten Emailleschüsseln und antiken Kissenbezügen auch noch mit einer guten Portion Lebensweisheit nachhause.


3 Comments


Karin Mayer
Karin Mayer
Feb 22, 2021

Liebe Schönfärberin, du wundervolle Geschichterzählerin hast mich gleich mitgenommen. Ich fühl mich hier auf deinem Blog genauso wohl wie in deinem zauberhaften Heim und freue mich auf viele weitere so schöne Beiträge. ...und auf gemeinsames Flohmarktbummeln natürlich auch.

Ganz liebe Grüße sendet dir

Karin

Like

Unknown member
Feb 21, 2021

Liebe Schönfärberin,

du sprichst mir aus der Seele - ja so ist es! Entspannung pur und wenn man die Kleinigkeit, die man erstanden hat, zuhause hinstellt, dann ist die Erinnerung an diesen Moment fast so schön wie der Moment selbst.

Hoffentlich geht es bald wieder los!


Like
Die Schönfärberin
Die Schönfärberin
Mar 08, 2021
Replying to

Das hoffe ich auch sehr!!

Like

©2021 Schönfärbereien. Erstellt mit Wix.com

bottom of page