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Unter die Haube gebracht

  • Autorenbild: Die Schönfärberin
    Die Schönfärberin
  • 12. März 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Sept. 2021

Wer vermutet, dass es hier um Hochzeitspläne geht, liegt völlig falsch.


Die Zeiten, in denen eine Mutter vor allem im Sinn hatte, die Tochter im wahrsten Sinne des Wortes an den Mann zu bringen, sind zum Glück schon lange vorbei. Wer sich einmal in diese Epoche hineinversetzen möchte, dem sei die Netflixserie "Bridgerton" empfohlen. Ein großartig ausgestatteter Kostümfilm, der den heiß umkämpften Heiratsmarkt in London zu Beginn des 19. Jahrhunderts detailgetreu und sehr unterhaltsam aufleben lässt.


Hier geht es aber nun um etwas völlig anderes. Es geht um Glas, Hauben aus Glas genauer gesagt. Während nämlich verheiratete Frauen im Mittelalter die als aufreizend geltenden Haare mittels einer Haube bedecken mussten, sollen diese das von ihnen Beschirmte besonders gut zur Geltung bringen.



Ich sammle Glashauben seit vielen Jahren auf Flohmärkten und habe sie mittlerweile in allen Größen vorrätig, von ganz klein bis riesengroß, hier mal eine Auswahl. Sie behüten alles, was frisch bleiben oder staubfrei aufbewahrt werden soll und machen zugleich richtig Eindruck. Meine Schönfärberei bedeutet ja auch, aus wenig viel zu machen und dafür gibt es manchmal ganz einfache Tricks.

Der Trick der Psychologen funktioniert auch zuhause.


Als ich mich während des Studiums mit Werbepsychologie befasste, lernte ich ein sehr interessantes Phänomen kennen. Es nennt sich etwas sperrig "Irradiation", was so viel wie "Ausstrahlung" heißt. Es beschreibt, dass wir exakt gleiche Dinge ganz anders wahrnehmen, wenn sie sich in einem veränderten Umfeld präsentieren. Ein Beispiel dafür ist der Wein, der aus einer teuer wirkenden Flasche, aus der auch noch ein Naturkorken ploppt, deutlich besser schmeckt, als derselbe aus dem Tetrapack. Oder, dass gelblich gefärbte Margarine als viel streichfähiger empfunden wird als die blassere Version. Unsere Erfahrung spielt uns da einen gewaltigen Streich, ob wir es wollen oder nicht.


Egal was wir essen, das Auge isst mit.


Diese Erkenntnis muss man aber nicht allein den pfiffigen Marketingstrategen überlassen, die uns damit zum Kauf ihrer Produkte verführen wollen, man kann sie sich auch zuhause clever zunutze machen.


Die Donuts aus dem Supermarkt schmecken nämlich auf einem schönen Standtteller und unter einer Glashaube präsentiert, plötzlich genauso gut, wie diejenigen, die in der Bäckerei mit einer Zange vorsichtig einzeln aus der Vitrine genommen und in einem schicken Karton verstaut werden.


Wird der Brie aus der Selbstbedienungstheke des Discounters, befreit von seiner Plastikummantelung, unter der Glocke auf einem schönen alten Holzbrett und in Gesellschaft einiger Trauben oder frischer Feigenhälften arrangiert, fragen sich die Gäste, in welchem französischen Käselädchen man diesen besonderen Gaumenschmaus wohl erstanden hat.





Die köstliche Meersalzbutter erinnert so wunderbar an das hübsche kleine Restaurant im letzten Frankreich-Urlaub, sie kommt aber in einem scheußlichen Plastik-Outfit daher? Ab unter eine Haube damit, ein frisches Baguette dazu - voilà, die Gedächtnis-Synapsen tanzen vor Freude und entführen uns für einen Moment zurück.



Zitronenviertel sollen zum Fisch auf den Tisch, aufgeschnittenes Obst zum Nachtisch oder Gurkensandwiches, very britisch, zum Tee? Unter einer Glashaube macht alles im Nu mehr her, was dann schließlich auch das Geschmackserlebnis beeinflusst



Mit Mogeln hat das rein gar nichts zu tun, denn es ist ja unser eigenes Gehirn, dass die Qualität nach seiner Erfahrung einordnet und das objektive Geschmackserlebnis entsprechend anpasst. Ich erinnere mich selbst übrigens auch sehr lebhaft an eine solche Situation.


Ein Kuchen mit "Ausstrahlung".


Den gedeckten Tisch unter dem schattenspendenden Apfelbaum bemerkte ich bereits von Weitem, als wir, etwas erschöpft von Hitze und Fahrt, in den Hof des zauberhaften Fachwerkhauses einbogen. Mit englischem Geschirr, altem Silberbesteck und Stoffservietten sowie einer Silberkanne heißem Earl Grey Tee wurden wir von unseren Freunden und Herzensmenschen geradezu fürstlichen empfangen. Mein leerer Magen freute sich besonders, dass in der Mitte des Tisches gleich zwei leckere Kuchen unter Hauben auf Glasständern thronten - köstlicher Zwetschgenstreusel sowie ein Käsekuchen. Daneben eine Schüssel frisch geschlagener Sahne.



So nahmen wir dankbar Platz und vor allem reichlich vom Angebotenen. "Ihr hättet euch aber wirklich nicht so viel Mühe machen müssen, gleich zwei Kuchen für uns zu backen" bemerkte ich nach einiger Zeit pflichtschuldig, während ein zweites Stück davon in meinem Mund verschwand.


Man muss betonen, dass meine Freundin Claudi eine Meisterin der Küche ist und so war ich sicher, dass es für den leckeren Streuselkuchen ein altes, geheimes Familienrezept gab. Vielleicht sogar aus der Zeit, als ihre Familie noch ein Rittergut im Osten Deutschlands besaß und eine rotwangige Köchin ihn regelmäßig zum Nachmittagstee servierte.



Nun ist besagte Freundin aber auch eine unübertroffen patente und praktisch veranlagte Person, die die Schönfärberei exzellent beherrscht und so blickte sie mich amüsiert an. "Wieso Mühe?" grinste sie, "Den hat Aldi für mich gebacken, das machen sie gut, oder? Ich hab aber noch ein bisschen Puderzucker darüber gesiebt". Aber, ist der Käsekuchen etwa....? " Na klar, der auch, er hat noch ein paar frische Beeren obendrauf bekommen, kurz bevor ihr kamt".


So ist es, wenn das Leben einem die wissenschaftliche Theorie beweist. Der so schön gedeckte Tisch sowie meine Vorstellungen und Erwartungen hatten aus dem eigentlich simplen aber so stilvoll präsentierten Kuchen eine besondere Köstlichkeit gemacht.


Ach, und die edlen gläsernen Kuchenständer heißen übrigens ARV BRÖLLOP und sind bei Ikea für knapp 17 Euro zu erwerben. Hier




Meine Tipps und Informationen sind grundsätzlich keine Werbung im rechtlichen Sinne, da ich dazu weder aufgefordert wurde, noch eine Bezahlung oder sonstige Gegenleistung dafür erhalte.

4 Comments


Christopher von Werder
Christopher von Werder
Mar 13, 2021

Wie schön an Deinen Ideen und Gedanken teilhaben zu dürfen. Und wir spielen mit unserem Werdehof sogar in einer Anekdote mit. Das ist wirklich eine Ehre und eine Freude.

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Die Schönfärberin
Die Schönfärberin
Mar 13, 2021
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Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, lieber Christopher!

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Unknown member
Mar 13, 2021

Wie immer so eine gute Idee! Ich hab gleich die Haube, die ich geerbt hab wieder raus geholt! Danke 🙏

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Die Schönfärberin
Die Schönfärberin
Mar 13, 2021
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Danke, liebe Sabine, das freut mich sehr. Auch, dass das alte Erbstück noch eine neue Aufgabe bekommt.

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